Im Frühjahr 2013 erhielt Dorothea Eitel mit ihrer Company urbanReflects den Zuschlag fur die Interimsnutzung der ehemaligen Reithalle in der Mannheimer Turley-Kaserne mit ihrem Konzept "Testlabor Turley und der Turley Thursday" von der Stadt Mannheim - in enger Zusammenarbeit mit Susanne Brauer - und der MWS Projektentwicklungsgesellschaft.
Sie wandelte die leere Halle für 5 Monate in einen gläsernen Probe- und Aufführungsort um. Er war Treffpunkt für Austausch und Ideenschmiede für ungewöhnliche Formate. In diesem Rahmen experimentierte sie mit verschiedenen Künstlern und arbeitete an diversen Neuproduktionen, unter anderem mit ihrem in Mannheim neugegründeten Kollektiv wirhabendasnichtgewolltProduktion.
Die Company urbanReflects griff die Fragestellung des Kollektivs der Produktion "Monopoly zweipunktnull" auf. Sie entwickelte anhand der Frage nach dem Wert der Kunst verschiedene Modelle, um mit den Zuschauern in Dialog zu kommen. Der Wert der Kunst wurde untergliedert in
22 verschiedene Aufführungen in unterschiedlichen Formaten gaben den Mannheimern einen abwechslungsreichen Einblick in die Fülle darstellender zeitgenossischer Darbietungsmöglichkeiten. Die ständige Transparenz und Kommunikation zwischen Künstlern und Rezipienten hat den Zuschauern den Zugang zur zeitgenössischen performativen Kunst erleichtert.
Die Company wollte zum einen herausfinden, was die Erwartungen der Zuschauer an die Darbietungen sind und zum anderen die Menschen eng in ihre künstlerischen Prozesse und Arbeits-, Entwicklungs- und Denkweisen einbeziehen.
Dies fand über verschiedene Aufführungsformate statt, die Kunst in unterschiedlichen Entwicklungsstadien zeigte, sowie im entspannten Austausch zwischen Künstlern und Zuschauern, zum Beispiel nach den Performances gemütlich bei einem Glas Wein oder durch Beiwohnen von Proben. Wenn Zuschauer für das Ensemble gekocht haben, kam es beim gemeinsamen Essen zu spannenden Gesprächen. Einige Zuschauer kamen auch gerne spontan mit einer Flasche Wein vorbei. Das Testlabor Turley gab nicht nur Einblicke in das Leben Kulturschaffender, es entstanden auch Freundschaften.
Durch verschiedene Ansätze wurden die Mannheimer aktiv und verantwortungsvoll in Realisierungsstrategien eingebunden. Die Anfrage auf Unterstützung und Sachinvestitionen lief unter dem Motto "GELD oder DEAL": Die Zuschauer hatten die Möglichkeit mit den Künstlern einen Deal abzuschließen, der sie in ihrer Arbeit unterstützte, sie entlastete, den Raum ausstattete oder Dinge betraf, die Künstler fürs Leben vor Ort benötigen (bspw. Schlafplätze oder Essen).
Menschen, die regelmäßig den "Turley Thursday" besuchten, erfuhren so im Rahmen der Darbietungen, was die Darstellende Kunst braucht und was die Ausstattung und Unterstützung mit der Qualität der Darbietung und ihrer Rezeption zu tun hat. Wenn man einen Deal abgeschlossen hat, entfiel der monetäre Eintritt für die jeweiligen Performances, die von Mai bis September jeden Donnerstag unter dem Label "Turley Thursday" stattgefanden.
Video GELD oder DEALDie Stadt Mannheim hat das Projekt sowohl monetär, als auch durch großartige Manpower von Susanne Brauer unterstützt. Die MWS Projektentwicklung hat ebenfalls monetär durch Übernahme der Strom- und Wasserkosten, sowie durch zur Verfügung stellen eines Toilettencontainers und Bauzäune investiert und ebenso durch Manpower von Achim Judt und Waltraud Schlepps. Die Kommune hat somit den größten Support für das Projekt geleistet.
Die Tom-Bock-Group hat die Reithalle kostenfrei zur Verfügung gestellt und das Projekt zusammen mit der Firma Hebereger durch Manpower vor Ort - allen voran Herr Schmotz und Herr Diallo - sehr unterstützt. An dieser Stelle sei auch den Bauarbeitern, Handwerkern, Elektrikern gedankt, die bei Problemen immer sofort bereitwillig mit angepackt haben, sowie wie einigen Unterstützern der Konversion.
Weiter gab es vom Theater Felina-Areal durch Sascha Koal, von der Stadtgalerie Mannheim, vom Jugendtheater Schnawwl, von unseren beiden Technikern, sowie von Zuschauern enorme Unterstützung in Bezug auf Raum- und Bühnenausstattung.
Bitten auf monetäre Unterstützung von Firmen, die nicht an Turley gekoppelt waren, waren erfolglos. Ebenso waren überregionale Gelder, die von der Landespolitik gestellt und durch Juryentscheide vergeben werden, nicht für das Projekt zu gewinnen. Auch regionale und überregionale Stiftungen konnten nicht überzeugt werden.
Dass der Turley Thursday überhaupt stattfinden konnte, ist also in erster Linie der Stadt Mannheim, so wie auf und für Turley Schaffenden zu verdanken. Dass das Projekt bis zum Schluss durchgeführt wurde, ist jedoch allein der großen Wertschätzung seitens der Zuschauer und ihrem damit verbundenen Engagement zu verdanken. Die Mannheimer haben durch Sachinvest, Zeitinvest und Übernahme von Arbeiten ganz klar Verantwortung für die Künstler und das Gelingen von Kunst übernommen und dadurch sehr deutlich gezeigt, dass sie diese Art der Kunst schätzen und auch wollen.
Die meines Erachtens größte Investition haben jedoch die Künstler selbst geleistet. Sie haben nicht nur allesamt unbezahlt auf Turley produziert und gastiert, sondern teilweise sogar monetäre Eigeninvestitionen geleistet.
Es wurde das Rezeptionsverhalten der Zuschauer erforscht und ihre Bewertung abgefragt. Die Zuschauer bewerteten nach der Darbietung das Gesehene nach eigenem Gusto in SUPER - OK - MIST. Diese rein persönliche und intuitive Bewertung haben wir statistisch ausgewertet. Sie dient vor allem uns Künstler als Feedback jenseits von Jurybewertungen und Rezensionen. Denn wir verstehen uns als Künstler, die Kunst fur die Menschen machen und waren an der ungefilterten Bewertung interessiert.
Zuschauerverteilung *
(wie die Zuschauer ihr Geld
gern investiert wissen wollten)
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tatsächliche Verteilung ** | |
Ausstattung/
Raum/Equipment/ Ambiente/sonstige Sachkosten |
11,9% (314,16 €) | 31,8 % (2523,63 €) |
Fahrtkosten/Kost/Logis | 10,7% (282,48 €) | 15,7 % (1297,78 €)
(zusätzlich z. T. von
Künstlerspesen gedeckt)
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Steuer/Gebühren/ Pflichtabgaben | 5,5 % (145,20 €) | 0 % (0 €)
(von Künstlerspesen gedeckt)
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Werbung/Öffentlich- keitsarbeit |
12,7 % (335,28 €) | 4,8 % (391,31 €) |
Organisation/ Geldakquise |
10,2% (269,28 €) | 11,1 % (915,38 €) |
Helferhonorare | 11,7 % (308,88 €) | 0,8 % (50 €) |
Künstler-Honorare, inkl. Techniker | 37,3 % (984,72 €) | 8,6 % (700 €)
(die ausbezahlten Honorare gingen
ausschließlich an Techniker und nichts an
Künstler) |
Spesen für die Künstler | 27,2 % (2241,68 €)
(die Einnahmen an der Abendkasse gingen
zu 100% an die jeweiligen Künstler zur
Deckung ihrer entstanden Kosten. Dass ein
Honorar übrig geblieben ist, ist eher
unwahrscheinlich) |
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Gesamtbudget | 2097 € | 8119,78 €
5000 € Stadt Mannheim 2097 € Abendkasse 752,98 Getränkespenden 269,80 sonstige Spenden |
Abschließend kann man sagen, dass das Bereitstellen der Infrastruktur und leidenschaftliches Engagement von Künstlern und Zuschauern allein nicht ausreicht, um nachhaltig und professionell Kunst machen zu können. Politik und Wirtschaft, die nicht im direkten lokalen Bezug zur Stadt Mannheim standen, haben kein Interesse am Projekt bekundet. Damit konnten wir notwendige Mindestbedingungen nicht erreichen. Das kommunale Engagement für Kunst und Kultur sollte also unbedingt -vor allem auch monetär- überregional unterstützt werden.
Die gesammelten wöchentlichen Newsletter
dokumentieren das Geschehen auf Turley.
RNF Life, 27. September 2013:
Bericht über das Turley-Areal (ab 0:30)
Mannheimer Morgen vom 3. August 2013:
Kreative Spurensuche
SWR2-Kulturthema, 2. Juli 2013:
Turley-Thursday
Mannheimer Morgen vom 23. Mai 2013:
Transparente Kunstforschung
Mannheimer Morgen vom 26. April 2013:
Neue Lebens- und Freiräume
Turley Thursday Mannheim - Ein Experiment der Company urbanReflects
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